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Jan. 2021 / Eigentlich

Wer die Bremer Musikszene verfolgt und nicht mehr der Jüngste ist, der wird sie kennen: Henning Bosse und Thomas Fokke. Die beiden spielen schon seit rund 20 Jahren in Bands: ob als "Diametrics", "Von Wegen" oder "Ilse Lau". Allesamt innovative Projekte, die zum Teil mittlerweile Kultstatus haben.

Vor fünf Jahren taten sich Henning Bosse und Thomas Fokke mit dem Gitarristen Fiete Pankok zusammen. Jetzt spielen sie schroffe Gitarrenmusik, die an den Postrock der neunziger Jahre erinnert, und heißen "Im Grunde genommen".

Auseinandersetzung mit Sprache

Ihr Debütalbum trägt – synonym zum Bandnamen – den Titel "Eigentlich". Schon hier wird deutlich, dass die Musiker von "Im Grunde genommen" sich gern mit Sprache auseinandersetzen. Trotzdem ist die Musik der Band, im Gegensatz zu beispielsweise "Ilse Lau", rein instrumental. Dafür haben sie sich entschieden, weil Gesang ihrer Meinung nach oft den Rest eines Songs überlagert.

"Drei Menschen auf der Suche" – so formuliert die Band auf ihrer Webseite ihr Selbstverständnis. Weiter heißt es, dass man sich von dem "Willen der Musik" leiten lassen wolle, statt von dem "Willen der Musiker". Dadurch grenzen sie sich von anderen Definitionen von Rockmusik ab, die Individualität und Virtuosität in den Mittelpunkt stellen. Für "Im Grunde genommen" zähle eher die "spirituelle Dimension" der Musik, so Schlagzeuger Henning Bosse.

Dez. 2020 / Eigentlich

Im Herbst 2015 taten sich Fiete Pankok, Henning Bosse und Thomas Fokke zusammen, auf der Suche nach Musik, angelehnt an den Postrock der 90er Jahre. Entstanden sind Im Grunde genommen. Kennen tut sich Henning und Thomas schon aus gemeinsam  Bands wie von Wegen, Diametrics und Ilse Lau . Im November diesen Jahres kam dann nun das erstes Album von Im Grunde genommen raus, mit dem Titel “Eigentlich”, veröffentlicht bei Fidel Bastro.

Das Bremer Trio hat auch hier den Postrock aufgenommen und reduziert auf rein instrumentale Klänge vorangetrieben, die wie im Flow zueinander finden. Dies erklärt vielleicht auch meine erste Assoziation, klingt wie Jazz, ohne Jazz zu sein. Noisig und leise, wild und ruhig zugleich. Aus diesen scheinbaren Widersprüchen ergibt sich eine Harmonie, die das Album vereint und den Hörer zum detaillierten zuhören zwingt. Die Abwesenheit von Gesang fällt nicht ins Gewicht, ja sie fällt erst auf, als die erste Seite –  „Einerseits“ – schon zu Ende ist, wird aber auch auf der B Seite – „Andererseits“ – nicht vermisst. Dafür fängt man schnell an, Bassriffs mit zu summen.

Mit dem ersten Song „über Umständen“ beginnt die Platte mit einem leichten Perkussion-Sound, zu dem sich Bass und Gitarre fügen und mit dem Einsetzen der Drums vorangetrieben wird. Es entwickelt sich zu einem immer schnelleren Tempo, welches unweigerlich in einem abrupten Höhepunkt endet. Auch „Wombat“ beginnt mit einer leichten Komposition, die bald, Schlagzeug und Bass sein Dank, kraftvoller und dunkler wird. Fast zarte Gitarrenklänge bieten den Einstieg zu „Zweimeterphose“ und auch hier fließt der Sound, findet sich neu, finden die Instrumente zueinander, fast organisch.

Auf der zweiten Seite geht es weiter mit „Insuffizienz“, dem meiner Meinung nach besten Lied das Im Grunde genommen auf der Platte veröffentlicht haben. Der Bass fordert nach Mitsummen, das Schlagzeug nach Bangen. Auch wenn das Lied Wendungen nimmt, bleibt es sich treu und nimmt den Hörer intuitiv mit. Die Eingangs erwähnten vermeintlichen Widersprüche manifestieren sich in dem Song und machen ihn aus. 

Wer meint Instrumental eignet sich nur als leise Hintergrundmusik, der irrt. Hier ist es die Musik, die sich selbst überlassen wird und gehört werden will, sich Gehör verschafft in ihrer Ursprünglichkeit. Absolut hörenswert! 

Die Platte bekommt ihr über Im Grunde genommen  oder über brokensilence als limitierte LP mit beiliegendem Downloadcode.

Dez. 2020 / Eigentlich

Das Rocktrio mit dem griffigen Namen „Im Grunde genommen“ präsentiert auf seinem Debüt „Eigentlich“ sechs beeindruckende Instrumentalsstücke. Bass, Drums und Gitarre agieren immer auf Augenhöhe, sorgen für eine klangliche und rhythmische Vielfalt, wechseln immer wieder die Spannung aufrecht haltend die Dynamik und zelebrieren gemeinsam den kräftigen Postrock, wie ihn ein Trio live raushauen kann. Das erste Stück startet klassisch mit Obertönen, baut sich geschmeidig auf, um in einen Overdrive- und Rhythmus-Exodus zu münden. Klanglich irgendwie eine Mischung aus den frühen Kante, Go Plus und Surrogat. Witzigerweise haben zwei der drei Musiker, Henning Bosse und Thomas Fokke vor einigen Jahren auch mit Thomas Pzyrgodda zusammen gespielt, der in den Neunzigern der Kopf von Go Plus war. In der Folge werden die Assoziationen internationaler und führen zu Bands wie Do Make Say Think oder Caspian – nicht mit der Sound of Wall, aber mit derselben Inbrunst und Liebe zum instrumentalen Rocksong.

Nov. 2020 / Eigentlich

Bräuchte ich ein Beispiel für nichtdummes Deutschsein, dann würde ich auf Fidel Bastro verweisen und das Vierteljahrhundert an trockenem und einsilbigem Humor dort in Hamburg: Hrubesch Youth, Knochen=Girl, Potato Fritz, Fröbe, Halb, Stau, Sport, Tschilp. Mitten drin auch Ilse Lau und Diametrics als deren 2/3-Spin-off in Gestalt von Drummer Henning Bosse und Bassmann Thomas Fokke. Mit Von Wegen und Preposterous zeitigte diese Bremer Schule seither weitere Konstrukte aus Komplexität, Lakonie und Melancholie, allesamt tauglich für Leistungskurse in Mathematik und überdeutsche Freundschaftskunde. "Eigentlich" setzt das fort mit einerseits 'Über Umständen', 'Wombat' und 'Zweimeterphose' und andererseits 'Insuffizienz', 'Flug der Tapire' und 'Gerta', aber vor allem mit Fiete Pankoks Gitarre. Denn echt wird dieser Rock nur mit Gitarre. Ihn mit Post- zu verbinden oder mit Links- wäre beides nicht unrichtig, aber das Eigentliche ist der Eigensinn. Der aus der Musik selber herrührt, nicht aus den Egos, aus Musik, die in ihren Spiralarmen SST und City Slang mit eindreht, mit hanseatischem Understatement und nicht nur wortkarg, sondern ohne Worte. Wobei es durchaus knattert und die Gitarre mit breiter Brust den Weg bahnt. Ostinat und beweglich genug, sich nicht aufhalten zu lassen. Repetitiver Nachdruck gehört zu den Basics und ebenso eine enthusiastische Systematik, die im voraus schon grinst, weil ihr dieser in Fleisch und Blut übergegangene evolutionäre Vorsprung Sicherheit gibt. Wenn das 6 Minuten dauert, dann dauert es eben 6 Minuten. Die Metamorphose macht keine Sprünge und doch schlagen die Spannungs- und Tempowechsel Kapriolen. 'Insuffizienz' stanzt Morsezeichen, die Gitarre schimmert stereo, bevor auch sie besonders energisch das Stakkato diktiert. 'Tapire im Flug' sind Brummer, die sich tremolierend und mit kraftvollem Bass in der Luft halten, kaum abgelenkt durch feinen Klingklang. Luftiger dreht sich die Gitarre bei 'Gerta', nein, es sind, zwei, von denen die eine zu sirren beginnt, während der knurrige Bass den Drehwurm weiter antreibt, der sich mit repetiertem Stakkato weiter dreht. Damit können die Bremer sogar Sonar Konkurrenz machen, als kernige Variante mit euphorischem Drive. [BA 108 rbd]

Nov. 2020 / Eigentlich

Es gibt Bands, die gefallen bereits vorm Reinhören. Zum Beispiel IM GRUNDE GENOMMEN aus Bremen, die ihre Debütplatte zwar nur auf Vinyl (mit Downloadcode) veröffentlichen, sich aber dennoch die Mühe machen, Promo-Exemplare auf hübschen CD-Rohlinge in Vinyl-Optik zu brennen, in handgemachte Digipaks zu verpacken und sonstige Infos auf Siebdruck und in Form von Polaroids beizulegen. Da stellt sich ja fast die Frage, ob diese Promoexemplare nicht sogar begehrter sein dürften als die auf 206 Exemplare limitierten Vinyls.
Aber was wäre die Optik, wenn letztendlich die Musik nicht stimmte? Doch auch hier kann das Trio vollkommen überzeugen mit einer schönen Mischung aus Noise, Postcore und Math Rock. Im ersten Moment fühlte ich mich an BARRA HEAD erinnert, kurze Zeit später kamen mir SHOKEI, MEDICATIONS, die recht unbekannten TRIPOLIS und natürlich die viel zitierten Referenzbands von AmRep in den Sinn. Doch IM GRUNDE GENOMMEN können nicht nur laut, sie lassen sich auch Zeit für Postrock-artige Songaufbauten, die sich erst langsam entwickeln („Gerta“). Es hat mich anfangs ein wenig enttäuscht, dass das Trio auf Gesang verzichtet, doch bereits beim ersten Hördurchlauf fiel auf, dass ihre Musik spannend genug ist, um auch ohne einen Sänger zu bestehen. Dass sie die sechs Songs von „Eigentlich“ live eingespielt haben, unterstreicht den DIY-Charakter, den die Jungs einfach im Blut zu haben scheinen. Scheiß drauf, dass man die Gitarre ein My besser hätte stimmen können oder dass das Schlagzeug in den schnellen Passagen eine Millisekunde hinterherläuft. Am Ende bewirken diese unsauberen Feinheiten, dass eine Platte eben nicht glattgebügelt, sondern geil klingt. Wenn man zu guter Letzt noch auf einem authentischen Label wie Fidel Bastro veröffentlicht, kann man den Jungs nur gratulieren. Alles richtig gemacht, bitte genauso weitermachen!

Nov. 2020 / Eigentlich

Sometimes music works like a time machine. Take for instance Im Grunde Genommen, a noisy instrumental post rock trio whose debut album Eigentlich – which ironically is a synonym for the band name - has been released digitally on Bandcamp and as a very limited vinyl edition with a screen printed cover by Luxembourgish artist Jeff Hemmer, who used to play in the early 2000s in bands like Carefree and afurnishedsoul, but later relocated to Bremen in Germany where he works as a graphic artist. Which is how this truly special vinyl record found its way back to Luxembourg.

Im Grunde Genommen haven’t been born yesterday. From the late nineties to the mid aughts, two of the musicians were in indie rock band Ilse Lau who released a couple of albums on the Northern German noise rock label Fidel Bastro. Then they released an album as Diametrics, and now have finally arrived at their newest setup. Usually instrumental post rock performed solely on guitar, bass and drums can be quite tedious, and when, as is the case here, the music has been recorded live at home, there might even be sound issues to worry about. But fortunately, Im Grunde Genommen have strong roots in the nineties and are taking inspiration from bands and labels that started it all. This makes Eigentlich a very authentic sounding record that catapults you straight back into a more innocent pre-Internet era. This attitude might also explain why you find this trio only on their own homepage and Bandcamp presence, and not on Facebook and streaming platforms.

The album is divided into two halves, with the A-side more or less containing the more straightforward material. The opener Unter Umständen is the only track below four minutes and pleases with its strong bass line, melodic drumming and varied guitar playing. The following Wombat is a little more psychedelic, but it’s only with Zweimeterphose, which concludes the first half, that we get also a first highlight. The guitar is omnipresent, the bass guitar doesn’t hide in the background, and the drums are filling it all up from behind. At times this reminds me of Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs, if they had been an instrumental outfit.

The B-side begins with the somewhat reluctant Insuffizienz which has some nice guitar parts and a hypnotic rhythm, but pales before what follows. Flug der Tapire starts out slowly enough but then sees the musicians venturing into doomy territory, which works really well for them. The album concludes with the ten-minute long epic Gerta which comes with a mellow three-minute introduction before adding steam, allowing the musicians to jam through the different parts of this behemoth.

So yes, the quality of the recording may not be up to the standards of a modern audience used to hi-fi perfection, but it all sounds highly authentic. Maybe the bass guitar is a little loud and the guitar could at times have more presence, but in the end, when I close my eyes, I feel like being back in my early twenties again, standing in a sweaty club and listening to live music that comes from the heart. And as right now it is hard to get that sensation, considering how we are living in the middle of a pandemic, isn’t this the next best thing? Let’s hope that Im Grunde Genommen will stay with us for a long time.

Nov. 2020 / Eigentlich

Debütalbum der Bremer Postrock-Formation (ex-Ilse Lau) als Vinyl Only im Siebdruck-Kartoncover mit 4c-Poster. Aus den seit 1996 bestehenden Ilse Lau wurden Diametrics, die sich wiederum 2011 auflösten, mit Henning Bosse und Thomas Fokke aus der Urbesetzung entstand zusammen mit Fiete Pankok die aktuelle Inkarnation der instrumentalen Triomusik zwischen Post-, Math- und Noiserock. Labels wie Homestead, SST oder Too Pure bilden den ästhetischen Bezugsrahmen der Band, die ihrer Musik selbst die Führung in die Hand gibt und sich von den gerade gespielten Patterns, Riffspiralen, Klangwänden und ungeraden Taktungen mit spülen lässt. Angenehm unakademische Kopfmusik, die zeitgleich in Bauch und Beinen eintrifft, breiten sich auf den sechs Tracks ihres Debütalbums aus, das man angesichts der Bandhistorie schon als reifes Alterswerk bezeichnen darf. Gitarre, Schlagzeug, Bass. Mund bleibt zu. Wunderbar! *Fidel Bastro

Mai. 2020 / Eigentlich

Popmusik und Eigensinn
Ein grenzenloses Alles-ist-erlaubt

Die Neunzigerjahre waren musikalisch eine gute Zeit. Vieles lief durch- und nebeneinander her, Indie entdeckte Elektronik und HipHop, aus Hamburg kamen die besten Texte. Und US-Bands wie Tortoise, June of 44 oder auch, weniger bekannt, A Minor Forest und Dianogah zerlegten Rock, liebevoll, aber bestimmt. Die Ansätze der Bands, die in den Neunzigerjahren auf angenehm unrockistische Weise mit Rock rummachten, waren sehr unterschiedlich und verbunden nur durch eine große Offenheit in der Herangehensweise. Der Begriff Postrock war und ist zur Sortierung hilfreich, weil man halt irgendwie weiß, was gemeint ist, aber mehr auch nicht.

Die Bremer Band Im Grunde genommen schließt auf ihrem ersten Album „Eigentlich“ mit an diesen Strang der Rockmusik an, also an eine Phase, in der Gitarre, Bass, Schlagzeug noch einmal interessant und mit einem Mal gar nicht mehr gestrig klangen. „Ein grenzenloses Alles-Ist-Erlaubt“, nennt es Schlagzeuger Henning Bosse. „Wir alle drei hören seit jeher eine riesige Bandbreite verschiedenster Musik, und all das, was wir hören, beeinflusst uns. Bei uns liegen Abba genauso sehr wie U.S. Maple, Strawinsky oder Ligeti, Punk und New Wave oder eben auch Neunzigerjahre-Postrock und Folklore aus allen erdenklichen Ländern auf den Plattentellern.“

Das Ganze ist viel weniger verschachtelt gebaut als bei den vielen Bands, in denen Henning Bosse und der Bassist Thomas Fokke bislang wirkten: Von Wegen, Diametrics und Preposterous (ohne Fokke), die in Bremen weltberühmten Bands Ilse Lau und Die Auch (auch ohne Fokke). Das ist mehr als nur eine Verschiebung, sondern ergibt tatsächlich eine andere Herangehensweise. „Uns geht es darum, was die Musik, wenn wir sie schreiben, von uns will. Es geht also um sehr genaues Hinhören und -fühlen. Darum ging es in den Bands davor nicht ganz so sehr.“ Die Leichtigkeit ist neu, die gab es in den Bands um Bosse und Fokke bislang so ausgeprägt nicht.

Die Kraft von Im Grunde genommen kommt nicht aus Kompression und Massivität; wirklich verzerrt ist die Gitarre von Fiete Pankok nur in einem Stück, das klingt dann aber auch sehr schön. Sie kommt aus einer hohen Konzentriertheit bei gleichzeitiger Tiefenentspannung aller Beteiligten. Instrumentalmusik, die um Bass und Schlagzeug herum zentriert ist und da ansetzt, wo beim SST-Label irgendwann Schluss war. Also eher Jazz-Tugenden, die hier den Ton bestimmen. Man findet gerade nur wenig Musik, die sich über sich selbst so völlig im Klaren ist.

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